Chronik: Die Glocken Teil 1

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Der Obsteiger Dorfchronist Hubert Stecher stellt Beiträge über unseren Heimatort Obsteig auf ObsteigAktuell für alle Interessierten ins Netz.

 
Die Glocken – Teil 1

Man sieht sie fast gar nicht, außer wenn sie beim Läuten hinter den Schalllöchern schwingen. Umso lauter hört man sie, worüber sich manche Leserbriefschreiber ärgern. Der wohlklingende, sorgfältig abgestimmte Ton („Ein Glockenmantel singt in etwa 100 verschiedenen Frequenzen“, Zitat Peter Graßmayr) erfreut jedoch viele Menschen. Und es erhebt sich die Frage: Was wäre, wenn man gar keine Glocken mehr hörte ?
In unserem Kirchturm hängen fünf Glocken, von denen vier seit 1978 elektrisch geläutet werden. Die fünfte, das ehemalige Sterbglöcklein, hängt zuoberst im Turmgebälk.

Kreuzglocke1793 1 Stecher
Sie wurde mit einem geflochtenen Lederstrick zum Schwingen gebracht. Heute wird sie nicht mehr geläutet. Diese Glocke ist dennoch wertvoll, denn sie wurde im Jahr 1793 gegossen und ist die einzige, die uns seit den Gründungszeiten unserer Kirche geblieben ist. 70 bis 90 kg dürfte sie wiegen und zeigt das Bild des Gekreuzigten und eines vom Hl. Josef mit Jesuskind. Die Aufschrift „ Jesus Nazarenus, Rex Judeorum“ lässt schließen, dass es sich um eine Kreuzglocke handelt. Wo und von wem sie gegossen wurde, weiß man nicht.

Die vier anderen Glocken sind dagegen relativ jung. Zu Lichtmess 1942 musste das alte Geläute für Kriegszwecke abgeliefert werden, es wurde in Kanonen umgegossen.

Glockenguss1948 Stecher
Erst in den Jahren 1948 und 1949 konnten bei der Gießerei Graßmayr in Wilten wieder neue Glocken angeschafft werden.
Die ersten drei wurden am 19. Juni 1948 geliefert und am nächsten Tag vom Bischöflichen Provikar Urban Draxl geweiht. Es waren dies die beiden kleineren für die Pfarrkirche und eine für die Kapelle Holzleiten.
Die Kapellenglocke Holzleiten ist dem Hl. Antonius geweiht und wiegt 69 kg. Über dem Bild der Hl. Familie steht „Maria mit dem Kinde lieb uns allen deinen Segen gib“. Patin war Herta Tanzer.

Amalienglocke 1 Stecher
Die kleinste Glocke im Pfarrturm ist die Amalien/Antoniusglocke, wiegt 120 kg und klingt im Ton e‘. Sie trägt die Inschrift „Hof und Haus und Alm und Feld sein dem Schutz dir unterstellt.“ Glockenpatin war Amalia Thaler (Wald).

Gefallenenglocke 1 Stecher
Die Johannes- und Gefallenenglocke (Patin Anna Kapferer, Gschwent) spricht: „Sooft meine Töne vom Turm erschallen, denkt betend an die, die für euch gefallen“, ist auf  cis‘ gestimmt und 213 kg schwer.

Am 23. Oktober 1949 konnte Prälat Eugen Fiderer von Stams die weiteren fünf Obsteiger Glocken weihen.
Dabei waren die zwei großen für den Pfarrturm und drei für die Weiler Gschwent, Thal und Holzleiten. Berta Jäger war die Patin für die Ingenuinglocke in Gschwent. Diese wiegt 65 kg und trägt die Schrift „Hl. Herz Jesu nimm uns alle unter deinen gnädigen Schutz“.
Die Antoniusglocke in Thal hat Erika Grutsch zur Patin. „Näher mein Gott zu dir“ steht auf dem Mantel. 30 kg schwingen im Dachreiter, wenn man sie läutet.

Schließlich kam für Holzleiten eine zweite, 35 kg schwere Glocke unter der Patin Josefa Hosp zur Weihe. „Du Königin des Friedens, bitte für uns“, steht auf dieser Josefsglocke.

Mariaglocke 1 Stecher
310 kg wiegt die Maria/Aloisiusglocke im Kirchturm, sie klingt im Ton h‘ und hat  Alois Föger  (Fasseler) in Wald zum Paten. „Du Mutter der Barmherzigkeit uns Hilfe gib zu jeder Zeit“, betet sie.

Josefsglocke 1 Stecher
Die Josefsglocke mit 530 kg ist im Ton gis‘ abgestimmt, der Text lautet „St. Josefs Schutz, des Heilands Gnaden, begleiten uns auf allen Pfaden.“ Dieser schwersten Glocke stand Josef Föger (Postmeister) als Pate zur Seite.
Das Geläute der Obsteiger Kirche ist in der so genannten „salve regina – Stimmung“ zusammengestellt, die damals sehr beliebt war und heute noch gern gehört wird.
Beim Zusammenläuten schwingen also 1173 kg im Kirchturm. Das Gemäuer und das Gebälk müssen unbedingt mitschwingen können, um diese Belastung abfedern zu können. Wären sie zu starr, könnten Schäden auftreten. Die Gusskosten betrugen ohne Metallkosten 12 Schillinge pro kg, der Aufguss eines Heiligenbildes 20 Schillinge, ein Buchstabe kostete 2 Schillinge.                 
Glocken tragen meistens eine Inschrift, und fast immer sind es Gebete, die aufgegossen sind.
Das Läuten „dringt hinauf zum Himmel“ und richtet daher das Gebet der Menschen an Gott und die Heiligen. Eine Glocke „spricht“ also. Der Klang redet auch mit den Gläubigen. Er ertönt nicht nur zu den Gottesdiensten, sondern erzählt auch von Freud und Leid der Bewohner bei Taufen, Hochzeiten, Todesfällen, früher auch bei Gewitter, Gefahr, Krieg, Brand. Die Glocke begleitet die Menschen durch das Leben, im Normalfall durch viele Generationen. Daher ist ein Glockenguss üblicherweise für  die Bevölkerung ein Jahrhundert-Ereignis und ein großer Stolz. Manche Glocken sind bereits über 1000 Jahre alt, die älteste noch läutende wurde 1059 in Deutschland (Hersfeld) gegossen.
Schon ein eigenartiges Gefühl, wenn diese „beseelten“ Rufer in den Kartagen schweigen und die  Karfreitagsratsche zum Einsatz kommt. Die Glocken „fliegen ja nach Rom.“  

ScharmerLina19xx Stecher
Scharmer Lina, die viele Jahre Mesnerin war mit der Karfreitagsratsche.

                                                                   (Fortsetzung folgt)